16.12.2008 - OLG Düsseldorf, Az.: I-20 U 48/08
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EIGENER LEITSATZ:
- Vertragsstrafe von 20.000,00 € bei unerlaubter Fax-Werbung
THEMA:
- Wettbewerbsrecht (UWG; Unterlassungsvertrag)
RECHTSNORMEN:
- §§ 339, 291, 288 BGB
VOLLTEXT:
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
16. Dezember 2008
I-20 U 48/08
In dem Rechtsstreit
...
gegen
...
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung der
Richter ..., ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ... für Recht
erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. Januar 2008 verkündete Urteil des
Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld unter Zurückweisung
des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.000,-- € nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juni 2007 zu
zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache mit Ausnahme eines
geringen Teils des Zinsanspruchs Erfolg.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe nicht
nur – wie vom Landgericht angenommen – in Höhe von 4.000,-- €, sondern in
Höhe von weiteren 16.000,-- €, insgesamt also 20.000,-- € nebst Zinsen.
Die Vertragsstrafe ist in der vollen geltend gemachten Höhe verwirkt im Sinne
des § 339 Satz 2 BGB.
1. Mit dem Faxversand der vom Kläger aufgeführten sieben Werbeschreiben
(Anlagen K 3 ff.) verstieß die Beklagte gegen ihre vertragliche
Unterlassungsverpflichtung. Diese ging nach ihrer Vertragserklärung vom
29.10.2003 (Anlage K 1 = Bl. 6 GA) dahin, es zu unterlassen, Werbung per Telefax
ohne zumindest zu vermutendes Einverständnis des Empfängers vorzunehmen. Für
jeden Fall der Zuwiderhandlung versprach sie die Zahlung einer Vertragsstrafe
von 4.000,-- € an den Kläger. Dass die beanstandeten Schreiben aus dem Jahre
2006 dieser Unterlassungsverpflichtung widersprachen, hat das Landgericht
zutreffend festgestellt. Den hierauf bezogenen Ausführungen schließt der Senat
sich an.
Die im Senatstermin vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten erneut
angesprochene Erweiterung des Geschäftsbetriebs steht dem nicht entgegen. Das
Vertragsstrafenversprechen ist inhaltlich nicht an eine bestimmte Größe des
Betriebs der Beklagten geknüpft. Letztere stellt auch keine Geschäftsgrundlage
der Vereinbarung dar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien bei Abschluss
der Vereinbarung von einem Zusammenhang zwischen dem Verbot unerbetener
Faxwerbung und einer bestimmten Betriebsgröße der Beklagten als Grundlage
ihrer Vereinbarung ausgegangen sein könnten. Im Gegenteil hat der Umfang des
Geschäftsbetriebs grundsätzlich keinen Einfluss auf die Art und Weise von
Werbung.
Die Übernahme zusätzlicher Betriebsstätten führte auch nicht zu einer
unzumutbaren Leistungserschwerung. Von der Beklagten ist unabhängig von ihrer
Betriebsgröße zu verlangen, dass sie bestehende Verpflichtungen einhält.
Organisatorische Vorkehrungen hierfür verbunden mit entsprechenden Hinweisen
auf unzulässige Werbemaßnahmen sind intern ohne weiteres auch in einem
größeren Unternehmen möglich. Immerhin war auch die Werbeaktion als solche
nach dem Vortrag der Beklagten zentral abgesprochen und geplant.
Die Beklagte verstieß auch schuldhaft gegen ihre vertragliche
Unterlassungsverpflichtung. Die Adressen, die sie angeschrieben hat, hatte sie
von Drittunternehmen als deren Kundenadressen erworben. Sie darf zur Vermeidung
eines Fahrlässigkeitsvorwurfs dann die entsprechenden Kunden nicht anschreiben,
ohne zu überprüfen, ob deren Einverständnis mit dieser Werbung besteht oder
ob zumindest Umstände vorliegen, aus denen eine solche Einwilligung vernutet
werden kann. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte ihren
Geschäftsbetrieb vergrößert hatte. Die Beklagte trägt selbst vor,
Faxschreiben an Adressaten aus den Adresslisten der übernommenen Unternehmen
versandt zu haben, die sie von letzteren erhalten hatte. Dabei habe sie, so die
Beklagte weiter, "ausschließlich die postalischen Adressen der Kunden,
ohne Transaktionsdaten" erhalten (Schriftsatz vom 26.11.2007, S. 1 = Bl.
107 GA). Sie habe daher nicht gewusst, wann, was, oder wie viel der Kunde
gekauft habe (a.a.O.). Bei dieser Sachlage ist es zumindest fahrlässig, wenn
die Beklagte ohne jede weitere Prüfung Faxschreiben an diese Kunden schickt,
von denen sie keine Einzelheiten kannte. Sie musste nämlich nach dem Inhalt der
Übernahmeverträge damit rechnen, nicht nur aktuelle Kundenadressen erhalten zu
haben, weil ausdrücklich auch "inaktive" Adressen mit übernommen
worden waren (vgl. etwa den Kaufvertrag mit A., Bl. 57 GA). Weiterhin sprach die
Beklagte sogar gezielt Kunden an, die nicht zum aktuellen Kundenbestand
zählten. So ist etwa das erste Fax vom 27.9.2006 (K 3 = Bl. 11 GA)
ausdrücklich damit eingeleitet, die Beklagte habe den angesprochenen Kunde
"lange nicht mehr ... im Online-Shop begrüßen dürfen". Schließlich
ist auch der lange zeitliche Abstand zwischen den Übernahmeverträgen (2003 bis
2005, überwiegend 2004) und der streitgegenständlichen Werbeaktion im Herbst
2006 zu berücksichtigen. Diese Zeit reichte aus, damit die Beklagte sich über
den Bestand an aktuellen Kunden Klarheit verschaffen konnte, bei denen wegen der
bereits bestehenden Geschäftsbeziehung ein Einverständnis mit der Faxwerbung
zu vermuten ist, wie dies der Unterlassungsvertrag umschreibt.
2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nicht nur ein einziger Verstoß
gegen die Unterlassungsverpflichtung anzunehmen. Vielmehr hat ihr die Beklagte
– wie von dem Kläger vorgetragen – zumindest fünf Mal zuwider gehandelt.
Das geschah aufgrund sieben unverlangt außerhalb einer aktuellen
Kundenbeziehung versandter Faxe, wie sie zuletzt in der Berufungsbegründung
(Seite 2 = Bl. 149 GA, mit Anlage K 3 ff.) aufgelistet sind. Dabei fasst die
Klägerin drei Faxe, die an einem Tag (23.10.2006) versandt wurden, zu einem
Verstoß zusammen und kommt so auf fünf Verstöße.
Eine natürliche Handlungseinheit scheidet hier ersichtlich aus.
Ausgangspunkt der weiteren Prüfung ist dann, wie vom Landgericht unter
zutreffender Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 146,
318 = GRUR 2001, 758 – Trainingsvertrag) ausgeführt, die Auslegung des
Unterlassungsvertrages. Er sieht nur in allgemeiner Form die Verwirkung der
Vertragsstrafe "für jeden Fall zukünftiger schuldhafter
Zuwiderhandlungen" vor. Hier können die vom Landgericht angeführten
Gesichtspunkte wie insbesondere der zeitliche Zusammenhang und die einheitlich
geplante Werbeaktion grundsätzlich für die Annahme nur einer einzigen Handlung
sprechen.
Das allein ist indes im vorliegenden Fall nicht ausschlaggebend.
Die Werbeaktion mag auf einem einheitlichen internen, für sämtliche
Betriebsstätten gültigen Willensentschluss beruhen, wie von der Beklagten
vorgetragen, weil die Geschäftsführer und Betriebsstättenleiter sich auf die
Werbung mit einem bis Jahresende 2006 befristeten Gutschein geeinigt hatten. Die
Einigung auf eine derartige Werbeaktion ist indes nicht maßgeblich. Es ist der
Beklagten vertraglich nicht verboten, eine derartige Werbeaktion unter
Verwendung eines Gutscheins durchzuführen. Vertragswidrig war erst die
Umsetzung dieser Werbeentscheidung in einigen Einzelfällen dadurch, dass auch
Adressaten mit einbezogen wurden, die mit der Zusendung von Faxwerbung nicht
einverstanden waren. Diese Umsetzung indes erfolgte offensichtlich nicht
aufgrund eines einheitlichen Entschlusses, sondern in den jeweiligen
Betriebsstätten in unterschiedlicher Weise.
Das zeigt sich darin, dass abgesehen von der Gutscheinwerbung die Faxschreiben
nicht gleich sind und wesentliche Unterschiede aufweisen. So nennen sie mit der
Bezugnahme auf die einzelnen Betriebsstätten unterschiedliche Absender (O., A.,
L. & K.). Sie sind vor allem aber in unterschiedlicher Weise auf den jeweils
angesprochenen Adressaten bezogen, indem sie auf die Besonderheiten der
jeweiligen Kundenbeziehung Bezug nehmen. So wird der Kunde im Schreiben vom
27.9.2006 (O., Anlage K 3) damit angesprochen, dass er schon lange nicht mehr
habe begrüßt werden dürfen (ähnlich in K 8 und K 9: "wir wollen wieder,
dass Sie bei uns bestellen"). Die Schreiben vom 23.10.2006 (A., Anlagen K 4
bis K 6), die der Kläger zu einem Verstoß zusammenfasst, sprechen die
Verschmutzung des Druckers, dies zudem mit einem Bild an und enthalten so eine
Werbung, die das Schreiben in Anlage K 3 nicht aufweist.
Entsprechendes gilt für die übrigen Schreiben in den Anlage K 7 bis K 9, die
mit unterschiedlichen Formulierungen und unterschiedlichen Angeboten (im
Schreiben vom 29.10.2006 in Anlage K 7 wird noch eine Packung Kaffee schenkweise
angeboten) werben. Von sämtlichen Schreiben sind lediglich die von der
Klägerin als ein Verstoß zusammengefassten, am selben Tag versandten Schreiben
in den Anlagen K 4 bis K 6 gleich, im Übrigen sind sie auf die beschriebene
Weise höchst unterschiedlich und sprechen vor allem den jeweiligen Kunden auf
unterschiedliche Weise an. Das zeigt, dass diesen Schreiben eben keine
einheitliche Willensbildung zugrunde gelegen haben kann, die es rechtfertigen
könnte, lediglich einen einzigen Verstoß anzunehmen. Intern einheitlich
abgesprochen mag die Werbeaktion als solche unter Anpreisung eines befristeten
Gutscheins gewesen sein. Die nähere Ausführung und damit auch Entscheidung der
Frage, an wen im einzelnen die Faxe gehen sollten, erfolgte offensichtlich aber
keineswegs einheitlich.
Die Verneinung von mehreren Einzelverstößen und die Annahme nur eines einzigen
Verstoßes liegen vor diesem Hintergrund fern.
Offen bleiben kann daher, ob einer Zusammenfassung der Einzelakte zu einem
einzigen Verstoß auch entgegensteht, dass von einem vorsätzlichen Verhalten
der Beklagten auszugehen sein könnte. Der Bundesgerichtshof (a.a.O.) hat
angenommen, dass ein vorsätzliches Verhalten der Zusammenfassung der Einzelakte
zu einer einzigen Zuwiderhandlung regelmäßig entgegensteht.
Wie bereits erwähnt, sind einzelne der Schreiben ihrer Formulierung nach
gezielt an Kunden gerichtet, zu denen längere Zeit kein Kontakt mehr bestand.
In diesem Fällen liegt ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung aus
der damaligen Sicht der Beklagten besonders nahe. Ob daraus ein vorsätzliches
Verhalten folgt, mag dahin stehen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Der zuzusprechende
Zinssatz beträgt gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB fünf Prozentpunkte über dem
Basiszinssatz. Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz,
wie erstinstanzlich beantragt und mit der Berufung weiter verfolgt, sind nicht
gerechtfertigt, weil die Voraussetzungen des § 288 Abs. 2 BGB, der diesen
Zinssatz regelt, nicht vorliegen. Der Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe
ist keine "Entgeltforderung".
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 16.000,-- €.
(Unterschriften)